Was kann die Freimaurerei jungen Brüdern bieten?

Nebst Werkzeugen, Ritualen und Bildern lernen die jungen Brüder vor allem den respektvollen Umgang und den Erfahrungsaustausch in einem Kreis gleichgesinnter Männer, in dem man seine Gedanken auch dann frei äußern kann, wenn sie noch nicht gänzlich reif, durchdacht und abgerundet sind.

T. F. – Bauplan, St. Gallen (Schweizer Freimaurer-Rundschau: August/September 2009)

Im Ansuchen um Aufnahme in die Bruderkette schrieb ein Kandidat unter anderem: «Im Zentrum steht für mich die Hoffnung, Kontakt zu Leuten zu finden, die sich vor grundsätzlichen und auch metaphysischen Fragen nicht verstecken, sondern sich ihnen gerne stellen und dies in einer offenen, kritischen und undogmatischen Art und Weise tun. Ich denke dabei nicht an einen ewigen Konsens und an ein gegenseitiges Schulterklopfen, denn ohne Meinungsverschiedenheiten und ohne Streitgespräche gäbe es – respektive bräuchte es – auch keine Meinungsfreiheit. Das wesentlichste Kriterium der Toleranz scheint mir zu sein, trotz einer anderen Ansicht den Dialog nicht abzubrechen und den Menschen hinter der anderen Meinung grundsätzlich weiter zu respektieren. Im Zentrum sollte das Erfahren stehen und der gegenseitige, respektvolle Austausch zwischen den Menschen über diese Erfahrungen». – Diesen Wünschen werden wir gerne voll und ganz entsprechen. Das ist es ja gerade, was die Freimaurerei jungen Brüdern zu bieten hat: respektvoller Umgang und Erfahrungsaustausch in einem Kreis gleichgesinnter Männer, in dem man seine Gedanken auch dann frei äußern kann, wenn sie noch nicht gänzlich reif, durchdacht und abgerundet sind – Gedanken über Gott und die Welt – und das Bestreben, den «Menschen» in allen Belangen wieder als einen zentralen Faktor zu betrachten.

Dazu gehört natürlich auch eine Anleitung und Ermutigung zur „Arbeit an sich selbst“ – eine Anleitung zur stetigen Verbesserung und Selbstentfaltung – und ein offener Dialog auch über unbeliebte und ungewohnte Themen.

Einflüsse der Zeit

Zeit ist Bewegung – Zeit ist Wandel – Zeit ist Information. Dass der ganze Kosmos ein gigantischer, lebendiger Organismus sein könnte, wo auf verschiedensten Stellen viel höhere, intelligente und geistige Entwicklung existieren könnte, ist für die meisten von uns unvorstellbar, überschreitet es doch unsere realen Erfahrungs- und Erlebnismöglichkeiten. Führen wir uns also einmal das heutige Geschehen auf unserer Erde vor Augen: Erdbeben, Flutkatastrophen und Waldbrände, Kriege, Ausbeuter und Ausgebeutete, Vertriebene, Erniedrigte und Beleidigte und Geschändete, Tiere und Menschen usw. – dann sehen wir, dass die Harmonie global gestört ist – also auch global eine Wandlung stattfinden muss und wird! Denn – jeder Finsternis folgt Licht!

Verlassen wir für einen Augenblick unser eingeübtes lineares Denken, das uns unsere Zukunft als eine bloße Extrapolation von der Vergangenheit zeigt – das von einem statischen Welt- und Selbstverständnis geprägt ist und uns hindert, die wirklichen kausalen Zusammenhänge zu erfassen. Die Reduktion unseres Denkens auf eine begrenzte, eindimensionale Kategorie des materiellen Seins hat uns ja verhängnisvoll den Blick auf uns selbst verstellt. Dazu kommen die fatalen Auswirkungen einer medialen Gehirnwäsche – das Instrument der etablierten Machtstrukturen schlechthin! Jedes erwachende Bewusstsein wird durch ein Dauerbombardement niedriger Denkschemata an der Erkenntnis gehindert, dass wir uns selbst nur in einer materialistischen Blase gefangen halten. In dieser Gefangenschaft füllen wir unseren Lebensalltag mit Leid und Destruktion. Die Rüstungsindustrie kennt keine Rezession! – Unsere selbst gemachte Hölle!

Symbole

Zeichen, Bilder und spirituelle Rituale eröffnen uns durch ihre verborgenen Aussagen neue Blickwinkel. Das erste und vordergründigste Symbol das dem „jungen Bruder“ in der Freimaurerei begegnet, ist wohl der Stein. Der raue Stein, den wir bearbeiten (hinterfragen) sollen, auf dass er tauglich werde, in den Tempelbau der Humanität (die Gesellschaft) eingefügt zu werden. – Ein wunderbares und wichtiges Bild! – Woher kommt das?

Im Hebräischen ist «Stein» eine Wortkombination von Vater und Sohn. Klingt das nicht wie das Jesuswort «Ich und der Vater sind EINS»? Will uns dieses allererste Symbol nicht schon die Einheit der Schöpfung nahe bringen? – Und dann erst das Symbol der Quelle, aus der ein Fluss entspringt. Könnte man den Fluss von der Quelle abschneiden, gäbe es ihn nicht! Er wäre inexistent! Und die Schöpfung? – Gäbe es sie denn, wenn sie von der Quelle abgeschnitten wäre?!

Aber wie war das denn mit dem (scheinbaren) Hinaustreten des Geistgeschöpfes aus der Einheit des Lichtes und der Liebe in die Polarität – in die Zweiheit von Licht und Finsternis – in die Grobstofflichkeit und die mit ihr verbundenen Zeit? Seelen sind vollkommen mit ihrem Ursprung verbunden. Dieser Umstand lässt sie ohne Zweifel, ohne Ängste, ohne Suchen nach der Schöpferkraft sein. Sie leben im Licht – in ihrem feinstofflichen Körper, in einer natürlichen Selbstverständlichkeit verbunden mit der Quelle, der Schöpferkraft, in vollkommener Liebe. Da sie nichts suchen müssen und keinen Drang nach Wissen haben, leben sie einfach, empfinden sich als ein Teil der Schöpfung – in wunderbarer Ruhe, Gelassenheit, Harmonie und paradiesischer Leichtigkeit.

Gänzlich mit ihrem göttlichen Ursprung verbunden, fehlt ihnen jedoch die Motivation, etwas anzustreben. Obwohl sie in einer subtilen Form von Polarität leben, werden sie in ihrem feinstofflichen Körper etwas träge. Die Schöpfung aber, das Leben, kennt keinen Stillstand. Entwicklung heißt Bewegung, Streben. Die Seele (Wesenheit) entwickelt einen immer grobstofflicheren Körper, setzt sich mit der Polarität auseinander und erlebt folglich Spannung. Mit diesem neuen Motor ausgestattet, verliert sie aufgrund der immer langsamer werdenden Schwingung ihres Körpers zunehmend ihr spirituelles Bewusstsein. Dies ist ein sehr langer und ebenso natürlicher Entwicklungsprozess. Durch die Kraft der Polarität und der daraus resultierenden Schwingung ist es für eine Seele auf Dauer nicht möglich, ihren hohen Energiepegel zu halten – von Ausnahmen abgesehen.

Zuerst erfährt die Seele die Bedeutung der Materie, dann den Stellenwert von Gefühlen, um schließlich wieder spirituelles Bewusstsein zu entwickeln. Mit dem spirituellen Bewusstsein verlagert sich ihr Schwerpunkt von der Materie wieder zurück auf die geistige Welt. Das Bewusstsein hilft ihr, das mühsam Erlernte wieder loszulassen, indem sie den Körper und die Gefühle steuert. Denn sie begreift, dass Materie nichts anderes als verdichteter Geist ist. Aus dem Geist heraus ist die grobstoffliche Materie entstanden. Die Seele aber ist nun dem Körper und den Gefühlen nicht mehr ausgeliefert. Der Kreis schließt sich, sie erfährt den Punkt. Nun beginnt der Tanz dr Seele im Licht, in der Liebe, im göttlichen Bewusstsein. Auch auf dieser Ebene hat sie viele Möglichkeiten, sich immer weiter zu entwikkeln. Sie hat ihr persönliches Karma überwunden und arbeitet für die Schöpfung. Mit ihrem Bewusstsein und ihrer Liebe ist sie vielen Lebewesen, ob Mensch, Tier oder Pflanze, eine wichtige Stütze. Ihr Licht strahlt weit über ihre persönliche Rolle hinaus und ihre Kraft wird vielen Mut machen und anderen Heilung bringen. Ihr spirituelles Wissen hilft vielen Menschen, Ordnung und System hinter der Schöpfung zu erkennen.

Werkzeuge

Nach dieser gerafften Darstellung unseres Werdens und unseres Zieles kommt nun die Frage auf: Wie und womit erreichen wir denn unser Ziel am schnellsten und am sichersten? Nun, nehmen wir die maurerischen Werkzeuge zur Hand – den scharfen Meißel der Selbstkritik und den Hammer des eisernen Willens – nicht nur symbolisch! – und arbeiten aus dem rauen Stein den vollendeten Kubus heraus – das Sinnbild der Vollkommenheit – und fügen diesen in den Tempel der Humanität – die menschliche Gesellschaft – ein. Da gibt es aber auch noch ein viel effizienteres Werkzeug: unsere Gedanken! «Der Gedanke ist der Vater aller Dinge». Die meisten Menschen kennen diesen Satz, aber nicht jeder kennt die wahre Bedeutung, geschweige denn seine gewaltige Tragweite. Albert Einstein soll einmal gesagt haben: «Es sieht immer mehr so aus, als ob das ganze Universum nichts anderes sei, als ein einziger, grandioser Gedanke!» – und damit erkannte er wirklich den Kern der Wahrheit: die geistige Einheit. Gedanken sind Energie! Mit dem Gedanken fängt ALLES an. Die Ursache für ALLES wird ausnahmslos im Geistigen gelegt. Kein Ding kann sein, ohne dass es vorher im Gedanken war. In der Umkehrung heißt das: Alles, was wir in unserer Welt wahrnehmen, haben wir zuerst gedacht – haben es durch unsere Gedanken – und Gefühle – belebt und es dadurch in die Existenz gezwungen – ohne Ausnahme! Durch die Energie unserer Gedanken stehen wir auf der Stufe eines Mitschöpfers dieses Universums, ob wir dies wahrhaben wollen – oder nicht. Gewalt, Bösartigkeit und Machtgier sind ein Zeichen von Unreife und Unwissenheit – sind Produkte einer einseitigen Hinwendung zur Finsternis und Gefangenschaft in derselben! Die natürliche Abscheu gegen Gewalt entspringt unserem Göttlichen Urwissen. Der Weg des Widerstandes ist aber besonders tragisch und höchst kontraproduktiv, denn gerade aus solcher Phänomenalität – durch terroristische Anschläge aller Art – erhalten die Machtträger unglaublich viel Energie aus dem Volke eingespeist. Ob aus politischer, wirtschaftlicher oder religiöser Motivation zerstörerische Anschläge verübt werden – mit oder ohne Menschenopfer – sind diese ein absolut falscher Weg, die Mächte dieser Welt aufzulösen! Die Wirkung ist genau das Gegenteil! Nach innerem Gesetz erzeugt Druck eben Gegendruck! Was aber noch tragischer ist, jeder Anschlag auf die Strukturen der Machtträger und ihre Machtmanifestationen, besonders dann, wenn ein solcher tätiger Widerstand aus primär geistiger Quelle kommt, festigt wieder die bereits in Auflösung befindlichen Energien der Mächte. Was kann und will die Freimaurerei jungen Brüdern bieten? Kontakt mit suchenden Menschen aus ganz verschiedenen Klassen, Rassen, Religionen und Regionen um mit ihnen frei zu diskutieren über den Sinn und die Gesetze des Lebens. Ihnen durch Selbstfindung und Selbstentfaltung moralischen Halt geben in einer Zeit der verbreiteten Ziellosigkeit.

Aus maurerischen Symbolen Wissen und Kraft schöpfen. Das Bewusstsein von der Einheit der Schöpfung mit dem Schöpfer – und unseren Mitmenschen mit Liebe begegnen – damit der Tempel der Humanität in voller Schönheit erstrahlen kann! Jetzt ist die Zeit, auf die wir gewartet haben!