Kleinode von unschätzbarem Werthe

Die Freimaurerei kennt mit ihrer ausgeprägten Symbolik auch eine reiche Kultur der Symbolträger. Das Bijou bzw. die Kleinode spielen dabei eine wichtige Rolle. Gehe es um die Zugehörigkeit zu einer Loge, gehe es um Funktionen oder maurerische Prinzipien: Diese Kostbarkeiten verbinden die maurerische Lehre mit deren Umsetzung.

Es gibt eine ganze Welt von maurerischen Bekleidungen und Ämterattributen, von Uhren, Wappenschildern und Reliefs, von Medaillen und Pokalen, von Siegeln, Spruchkacheln auf Öfen und anderen Objekten. Man kann von einer freimaurerischen Ästhetik sprechen. Zu dieser gehören nicht zuletzt die masonischen Bijoux. Der Name enthält eine positive Wertung. Schön bringt das ein «Lehrlingsfragstück» aus dem Jahr 1798 zum Ausdruck: Ihre Kostbarkeit liege an «ihrer moralischen Bedeutung (der damit verbundenen moralischen Absicht), welche sie zu Kleinode von unschätzbarem Werthe machet.“

Vielfalt von Begriffen

Unter Bijoux versteht man unterschiedliche Dinge. Das kann zu einer gewissen Irritation führen. In einer verbreiteten Variante meint man mit Bijou das Logenabzeichen als eigenständiges Symbol. Hinzu kommen die beweglichen und unbeweglichen Kleinode, bzw., in der französischen Fassung, ebenfalls Bijoux. Die beweglichen Kleinoden sind Winkelmass, Wasser- und Setzwaage sowie das Senkblei. Unter den unbeweglichen versteht man den rohen Stein, den kubischen Stein sowie das Reissbrett.

Diese sechs bzw. sieben Elemente haben in der maurerischen Welt besonderen Wert. Mitunter werden sie im gleichen Atemzug wie die drei Grossen und die drei Kleinen Lichter genannt. Im erwähnten «Lehrlingsfragstück» heisst es sinngemäss: «Wenn ein Fremder sich nähern sollte, so gibt der Wächter auf dem Dach (der ‚Ziegeldecker‘ oder ‚Tyler‘) bei Zeiten dem Meister davon Nachricht, auf dass er den Brüdern zuriefe, die Loge schlösse, die Kleinode derselben auf die Seite brächte, und verhütete, dass ihre Harmonie gestört würde.»

Das Logenabzeichen

Jeder Loge ist es freigestellt, ihr Abzeichen zu gestalten. Es verstärkt die Identifikation mit der Bauhütte und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Brüder. Beim Besuch bei anderen Bauhütten dient es der Repräsentation. Zudem hat es einen symbolischen Wert. Dieser kann für Profane kaum wahrnehmbar sein, regt aber die Imagination des Freimaurers an und gemahnt ihn an seine masonischen Werte und Pflichten.

Auf den rechten Winkel richtet der Freimaurer sein Handeln aus.

Diese Bijoux werden teils an der linken Brust, teils unten am Kragen bzw. Band getragen. Sie begegnen in verschiedenen Formen. Diese stammen u. a. aus der Bausymbolik, der Geometrie, esoterischen Traditionen und dem masonischen Vokabular. Beispiele sind Winkelmass und Zirkel, das allsehende Auge und Akazien mit dem Verweis auf Hiram. Hinzu kommen das Pentagramm, die Weltkugel, die beiden Säulen «J» und «B» und der Buchstabe «G». In Feldlogen gab es z. B. gekreuzte Schwerter. Berühmtheit erlangte das Zeichen der Feldloge «American Union Nr. 1», die 1776, während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs, gegründet wurde. Es zeigte eine Kette von 13 Ringen, entsprechend der Anzahl der aufständischen Kolonien.

Die beweglichen Kleinode

Den drei hammerführenden Brüdern ist je ein bewegliches Kleinod zugeordnet. Der Stuhlmeister trägt das Winkelmass, das auch eines der drei Grossen Lichter darstellt. Dieses Symbol empfängt das Licht. Es ist im Ritual stets offen auf den Osten hin aufgelegt. Mitunter wird es mit dem weiblichen Prinzip in Verbindung gebracht. Auf den rechten Winkel richtet der Freimaurer sein Handeln aus. Dieses Element lehrt Rechte und Pflichten und steht für Recht, Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Für den Gesellen gibt es einen Anhaltspunkt, aus sich einen kubischen Stein zu formen.

Dem Ersten Vorsteher ist die Setz- bzw. Wasserwaage zugeordnet. Mit ihr prüft er die Waagrechte der Mauer. Es geht um die Gleichstellung aller Brüder, um Beständigkeit und Brüderlichkeit. Die Vernunft, das Verbindende und das Ausgleichende bilden das Element dieses Beamten. Im Zentrum steht das brüderliche Du.

Das «Schau in dich» des Lehrlings bleibt ein fortwährendes Gebot.

Anders beim Zweiten Vorsteher: Hier geht es um das Ich. Sein Werkzeug ist das Senkblei. Oben und Unten sind miteinander verbunden. Wie die Steinmetze prüft der Zweite Vorsteher am Bau die Einhaltung der Senkrechten. Übertragen bedeutet das die aufrechte Gesinnung, das Gewissen und das ehrliche Bemühen bzw. Geradheit und Gewissenhaftigkeit.

Man mag sich fragen, woher der Ausdruck der «beweglichen » Kleinode stammt. In einem maurerischen Kompendium aus dem Jahr 1919 wird ein Grund angeführt. Es gehe darum, dass sie von einem Bruder zum anderen gereicht werden, in anderen Worten von einem Beamten an seinen Nachfolger. Für diese Erklärung spricht auch, dass das Funktionsabzeichen in vielen Fällen bei der Loge aufbewahrt und für die jeweilige Arbeit an die ausführenden Brüder ausgeliehen wird.

Die unbeweglichen Kleinode

Diese Gruppe umfasst den rauen Stein des Lehrlings, den behauenen des Gesellen und das Reissbrett des Meistes. Der raue Stein steht für das Unfertige mit all seinen Ecken und Kanten. Seine Unregelmässigkeit führt dazu, dass er für den Bau am Tempel noch nicht zu gebrauchen ist. Es gilt also, die eigenen Schwächen, Leidenschaften und negativen Verhaltensweisen zu beseitigen. Ob Geselle oder Meister: Diese Arbeit ist nie abgeschlossen; wir sind sozusagen nie «fertige» Wesen. Daran gemahnt uns der Stein im Nordosten oder im Westen des Tapis. Das «Schau in dich» des Lehrlings bleibt ein fortwährendes Gebot.

Der kubische Stein macht den Gesellen tauglich für den Bau am Tempel der Humanität. Das ist mit der Arbeit eines Künstlers vergleichbar, der aus unförmigem Material ein Werk schafft. In diesem Sinn steht der Kubus für die Vollkommenheit von Herz und Verstand. Das «Schau um dich» weist auf das Wirken in der Aussenwelt hin, das den Gesellen auszeichnet.

Das dritte unbewegliche Kleinod, das Reissbrett im Südosten des Tempels, bei der Säule der Weisheit, steht für den Meister. Dieser macht mit dem Massstab der Wahrheit, dem Winkelmass des Rechts und dem Zirkel der Pflicht seine Entwürfe, nach denen der Bau am Tempel der Humanität erfolgen soll. Er leitet die Brüder bei der Arbeit und vermittelt ihnen die masonische Lehre. Das «Schau über dich» verweist auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und dem Danach. T. M.