Die Instruktion – ein grundlegendes Element der Freimaurerei

Die Instruktion ist in jeder Bedeutung des Worts grundlegend. Im Wort «instruieren» ist auch der Sinn von «konstruieren» enthalten. Die Instruktion ist demgemäss berufen, die Fundamente des inneren Baus jedes Lehrlings, Gesellen und Meisters zu errichten.

Von Br∴ S. A.-W., L∴ Liberté i∴ O∴ Lausanne

Die Instruktion kann unterschiedlichste Formen annehmen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird sie zur Unterweisung und zur Übertragung. Man kann sie lesen, sehen, hören; sie kann auch in einer körperlichen Bewegung erfolgen. Die erste Instruktion findet ohne Worte in der Kammer des stillen Nachdenkens statt. Sie vermittelt sich über die Sätze, Bilder und Objekte und vor allem über die Resonanz, die das alles im Herzen und im Geist des Empfängers findet.

Ein Ziel: geistige Öffnung

Auch während des Initiationsrituals wird die Instruktion zu einer Übertragung und Unterweisung. Das bedeutet, dass der Neophyt sehr schnell seine erste Instruktion von Seiten des Vorbereiters erhält, der ihn über Zeichen, Wort und Griff unterweist. Dieser ersten Instruktion folgt eine doppelte Prüfung. Am Ende des Rituals vernehmen alle Brüder den Dialog des Katechismus.

Ausserhalb der Tempelarbeiten sind die Brüder Vorsteher mit der Instruktion betraut. In bestimmten Logen widmet sich ein Bruder Instruierender zur Gänze dieser Aufgabe. Das Erlernen des freimaurerischen Vokabulars ist unverzichtbar, um unseren initiatorischen Weg zu verstehen. Eine gute Kenntnis des Rituals und der Symbole bildet eine zweite Ebene. Es geht im Ritual darum, die Abfolge von Sätzen und Handlungen zu kennen, und bei den Symbolen gilt es, sie und ihren Platz im Tempel zu kennen. Die Instruktion kann darüber kaum hinausgehen, denn das Verständnis und die wahrhafte Kenntnis der Rituale und Symbole ereignen sich im Inneren jedes Bruders oder jeder Schwester.

Ein Symbol kann nicht erklärt werden; wäre dies möglich, so handelte es sich lediglich um ein Zeichen.

Die Instruktion kann auch dazu dienen, sich geschichtliches Wissen anzueignen und das Funktionieren einer Loge oder der Obödienzen zu verstehen. Die angesprochenen Grundkenntnisse genügen aber nicht. Der Bruder Instruierende muss Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, Blockaden abbauen, Hindernisse benennen und Wege zu deren Überwindung aufzeigen. Jede Instruktion, die den Bruder oder die Schwester auf ein Denkschema oder, noch schlimmer, auf eine alle anderen ausschliessende Denkweise beschränkt, handelt wider unsere Überzeugung. Ein Symbol kann nicht erklärt werden; wäre dies möglich, so handelte es sich lediglich um ein Zeichen. Der Bruder Instruierende kann eine erste mögliche Lektüre angeben, die übrigens oft moralischer Natur ist. Er müsste aber gleichzeitig auch für eine geistige Öffnung besorgt sein. Das Winkelmass kann in einer ersten Lektüre Rechtwinkligkeit und Recht bedeuten, aber es spielt bereits eine andere Rolle, wenn es mit dem Zirkel oder dem Theorem des Pythagoras kombiniert wird. Darin liegt die ganze Schwierigkeit der Instruktion: Grundlegendes zu vermitteln und gleichzeitig unzählige Türen zu zeigen, die jeder Freimaurer und jede Freimaurerin für sich zu öffnen vermag.

Die Instruktion muss zusätzlich der Tatsache Rechnung tragen, dass sich jeder Freimaurer und jede Freimaurerin selbst initiieren muss. Der Instruierende kann mit dem Bruder oder der Schwester einen Teil des Weges gehen, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt muss er sich zurückziehen.

Ein maurerisches Paradox

Die Übertragung ist eine Unterweisung für sich. In der Tradition des Zen-Buddhismus spricht man von einer Übertragung von Herz zu Herz: i shin den shin (以心伝心). Der Meister bedarf keiner Worte. Die Übertragung vollzieht sich in gewisser Weise unvermittelt und direkt; aber auch sie ist persönlicher Natur. Diese Übertragung von Herz zu Herz hat ihren Ursprung in einer Episode aus Buddhas Leben. Eines Tages war der Buddha Shâkyamuni mit seinen Schülern auf dem Berg der Geier. In aller Stille pflückte er eine Blume. Er drehte sie zwischen seinen Fingern und unterwies so seine Schüler. Einzig Mahâkâshyapa, der künftige erste Patriarch, lachte. Er hatte die stillschweigende Unterweisung Buddhas verstanden.

Bereits im ersten Grad ist davon die Rede, dass man den bisherigen Menschen sterben lassen und wiedergeboren werden muss.

Das führt uns zu einer weiteren Schwierigkeit in der Instruktion bzw. der Unterweisung. Die Wörter können die Wahrheit verdecken, sei das mit oder ohne Absicht. Man könnte sagen, dass das Ritual ein Symbol deutlich erklärt, dass man sich damit aber nicht begnügen darf. Vielmehr geht es darum, eine tiefere Bedeutung in sich selbst zu suchen. Das ist übrigens eines der Paradoxe der freimaurerischen Methode. Sie weiss, dass die Wörter nie die ganze Realität wiedergeben können, und deshalb verwendet sie die Sprache der Symbole und Rituale. Gleichwohl misst sie dem Wort grosse Bedeutung zu. Man kann das akzeptieren, wenn man bedenkt, dass das Wort selbst auch nur symbolischer Natur ist. Das verlangt von uns ein spezifisches Vernehmen oder Lesen des Rituals.

«Sie sind wie die Tasse, Herr Professor!»

Letzten Ende kann die freimaurerische Instruktion oder Unterweisung nur mit freien, unbelasteten Brüdern und Schwestern vollzogen werden, die ihre Metalle abgelegt haben. Bereits im ersten Grad ist davon die Rede, dass man den bisherigen Menschen sterben lassen und wiedergeboren werden muss. Diese Wiedergeburt ist auch eine Befreiung von all dem, was unser volles Bewusstsein, das Licht, blockiert und verdunkelt. Der Instruierende kann nichts machen, wenn der Lehrling oder Geselle an seinen Vorurteilen, an seiner Idee von Wahrheit festhält.

Eine weitere Geschichte aus dem Zen veranschaulicht diesen Zusammenhang. Nan-in, ein japanischer Zenmeister (1868–1912), empfing einen Universitätsprofessor, der mehr über Zen erfahren wollte. Während Nan-in in aller Stille einen Tee zubereitete, verbreitete sich der Professor über seine eigenen Gedanken und seine philosophischen Ansichten. Als nun der Tee fertig war, begann Nan-in, den Tee sachte in die Tasse seines Besuchers einzuschenken. Der Mann redete weiter. Und Nanin fuhr fort, den Tee einzugiessen, bis dieser über den Tassenrand floss. Beunruhigt angesichts des Tees, der sich über den Tisch ergoss, rief der Professor aus: «Aber die Tasse ist doch voll!» Nanin antwortete ruhig: «Sie sind wie die Tasse, lieber Professor, bereits voll von Glaubensinhalten und vorgefertigten Ideen. Wie könnte ich also mit Ihnen über Zen sprechen? Wenn Sie etwas lernen wollen, dann beginnen Sie damit, die Tasse zu leeren!» (Übersetzung T. M.)