Im Fokus: der Gedankenaustausch

Am ersten internationalen Esperanto-Kongress 1905 in Boulogne-sur- Mer erweist sich, dass sich etliche Freimaurer-Brüder unter den Teilnehmenden befinden. Diese neuen Kontakte führen zur Gründung der UFL (Universelle Freimaurer Liga), einer interobedienziellen Vereinigung von Freimaurern, absichtlich ohne freimaurerische Strukturen.

Sr∴ A. B., Loge Fidelitas i∴ O∴ Zürich

Esperanto, die erste internationale Plansprache, wird 1887 vom polnischen Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof (1859–1917) veröffentlicht. Seine Idee ist es, mit einer neutralen Sprache eine vorurteilsfreie Weltanschauung zu fördern und damit zur Völkerverständigung beizutragen. Das Emblem der Esperantobewegung ist ein grüner, fünfzackiger Stern. Das Grab von Zamenhof im jüdischen Friedhof von Warschau ziert ein grosses farbiges Mosaik mit grünem fünfzackigem Stern (in dessen Mitte ein «E») auf strahlendem Hintergrund.

Ob Zamenhof von der Aufklärung inspiriert war? Bereits Ende des 17. Jh. postuliert der Universalgelehrte und Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), ein Vordenker der Aufklärung, die «characteristica universalis», ein auf Logik basierendes System von Zeichen, das auch in der Sprache seinen Niederschlag findet. Sprachen lassen Fehlinterpretationen zu, weshalb Verständigungsprobleme entstehen, die zu Konflikten führen. Dieser Ansatz von Leibnitz ist heute aktueller denn je.

Von Esperanto zu Klingonisch

Plansprachen sind konstruierte Sprachen, die auf die Erleichterung der internationalen Kommunikation ausgerichtet sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt sich Englisch als international bedeutendste Weltsprache durch. Der bereits früh geäusserte idealistische Optimismus, eine Plansprache könne die von einer bestimmten Weltsprache ausgehende Dominanz, einhergehend mit deren kulturellen und wirtschaftlichen Aspekten, verhindern, hat sich in der Praxis nicht bewahrheitet. Auch im entferntesten Winkel der Erde lernt man lieber Englisch und verknüpft damit unmittelbar Produkte wie Coca Cola oder Nike.

Die Plansprachen werden zwar nur noch von engagierten Linguisten bearbeitet, erhalten aber durch die Filmindustrie unerwarteten Auftrieb. So ist etwa dem Kinopublikum das Klingonisch aus dem Star-Trek-Universum bekannt, das auf einem sprachlich realistischen Hintergrund basiert und 1984 im Auftrag der Filmgesellschaft Paramount geschaffen wird.

Auch J.R.R. Tolkien hat in seinem Werk «Herr der Ringe» mehrere Sprachen entwickelt, die allerdings nicht als internationale Kommunikation konzipiert sind, sondern den mythologischen Hintergrund seiner Protagonisten widerspiegeln.

Freimaurerische Sprachverwirrung?

Als 1905 die UFL gegründet wird, ist dies primär ein Akt zur Überwindung der Grabenkämpfe zwischen der englisch und der französisch orientierten Freimaurerei. Die nationenübergreifende Idee der «Welthilfssprache» Esperanto untermauert die Internationalität, weshalb sich viele Freimaurer mit Esperanto auseinandersetzen.

Der erste Präsident der «Esperanto Framasona» ist der englische Freimaurer John Pollen. Am Esperantistenkongress 1913 in Bern macht der Schweizer Freimaurer Fritz Uhlmann aus Basel den Vorschlag, die Ziele der Vereinigung zu erweitern, woraus die «Universelle Freimaurer Liga» (frz. Ligue Universelle de Francs-Maçons, eo. Universala Framasona Ligo) entsteht. Grundlegend wird nun die Obedienz-übergreifende Zugehörigkeit von Freimaurern (seit Mitte der 1990er Jahre auch Frauen) und damit die Ausweitung des Anspruchs auf gegenseitige Verständigung. Esperanto tritt in den Hintergrund und wird kaum noch gepflegt.

Niedergang und Aufbruch

Nach dem Ersten Weltkrieg nehmen Freimaurer der UFL aktiv an pazifistischen Manifestationen teil, so etwa 1925 in Basel. Engagierte UFL-Mitglieder sind u.a. die Freimaurer Eugen Lennhoff (bekannt durch das «Internationale Freimaurer-Lexikon ») sowie der ab 1926 in der Schweiz lebende Historiker und Schriftsteller Franz Carl Endres. Lennhoff bewirkt am internationalen Kongress in Wien von 1926 eine Neuausrichtung, wobei Freimaurer aller Riten und Obedienzen Mitglieder werden können und die UFL sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Grosslogen einmischen soll. Gleichzeitig erklärt sich die UFL für politisch und konfessionell neutral.

Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt die Freimaurerei am Boden und mit ihr auch die UFL. Auf dem europäischen Kontinent bestehen nur noch in Schweden und in der Schweiz aktive freimaurerische Grosslogen. Lediglich die Schweizer Gruppe der UFL verzeichnet Aktivitäten. Ein umfassender Neuaufbau der europäischen Freimaurerei steht an – die Freimaurerei entfaltet sich wieder. Werte wie «universelle freimaurerische Solidarität » erlangen tiefgreifende Bedeutung, Inhalte, die heute mehr denn je von Belang sind und weiterhin eine vorurteilsfreie Geisteshaltung einfordern.

Interobedienzielle Plattform

Von Anfang an findet die UFL breite Unterstützung von liberalen Freimaurern aus allen Grosslogen, denn die Bildung einer «echten Weltbruderkette», die nationale und obedienzielle Grenzen überwindet und in Zeiten von Krieg und Frieden unterstützend wirkt, war und ist bis heute faszinierend.

Die UFL ist ein Verein nach Schweizer Recht, hält sich aus «logenpolitischen» Fragen heraus, führt keine Tempelarbeiten durch und fokussiert auf den freimaurerischen Gedankenaustausch. Dabei liegt der Schwerpunkt auch auf der Erweiterung der Kontakte zwischen Freimaurern verschiedener Obedienzen und Nationalitäten, wobei die UFL in jeder Hinsicht eine strikte Neutralität bewahrt. Jährlich finden internationale Treffen statt, in der Schweiz letztmals 2007 in Zürich auf dem Lindenhof mit über 50 Teilnehmenden.

Die UFL Sektion Zürich wird 2003 neu aufgegleist, deckt die Deutschschweiz ab und lädt viermal jährlich im Zunfthaus Linde Oberstrass zu Vorträgen mit freimaurerischem Inhalt ein, Ende 2020 werden es bereits insgesamt 70 sein.

Die UFL-Mitglieder und UFL-Interessierten sowie die Referenten stammen mehrheitlich aus der SGLA sowie aus der Grossloge des GOS, aus den Gemischten Grosslogen und aus der Frauengrossloge. Es wird darauf geachtet, dass ausschliesslich Freimaurer an den Vorträgen teilnehmen, wobei einmal jährlich ein Anlass angeboten wird, zu dem auch deren Partner/Partnerin eingeladen sind. Auffallend ist, dass sich überwiegend Freimaurer-Brüder für die UFL und deren Inhalte interessieren und engagieren. Informationen unter uflzh@bluemail.ch.