Erfahren, dass Freimaurerei kein eitler Wahn ist

Jonas Furrer (1805–1861) gehörte wie Alfred Escher zur Elite der jungen Schweiz. Er wirkte massgeblich an der neuen Bundesverfassung von 1848 mit, war Bundesrat und erster Bundespräsident. Zudem machte er sich um die Schweizer Freimaurerei verdient. So war er Mitbegründer der Schweizerischen Grossloge Alpina und deren erster Grossredner.

Das Zeitgeschehen in der Schweiz war nach Napoleons Niederlage in Waterloo vom 18. Juni 1815 durch grosse Wirren gezeichnet, die im Sonderbundskrieg 1847 gipfelten. Ab 1845 Zürcher Regierungsrat für die Liberalen, gehörte Br\ Jonas 1847 der Kommission an, die den Konflikt um den Sonderbund vergeblich mit friedlichen Mitteln zu lösen versuchte. Nach Ende des Sonderbundskrieges, aus dem die liberalen Kantone siegreich hervorgegangen waren, nahm er Einsitz in der Revisionskommission, welche die neue Bundesverfassung ausarbeitete.

Bundespräsidium – und Bürokratie

Im Oktober 1848 wurde er Zürcher Ständerat, im November 1848 Bundesrat und erster Präsident dieses Gremiums. Anfang 1849 verliess er Zürich, um seinen neuen Wohnsitz in Bern aufzuschlagen. Als Bundespräsident amtete Furrer in den Jahren 1849, 1852, 1855 und 1858. Er war stets bestrebt, Konflikte zu lösen. Die Bürokratie machte ihm allerdings zu schaffen. So schrieb er seinem Studienfreund Johann Jakob Weber am 19. Dezember 1836: «Könntest Du Dir etwas Traurigeres denken, als den ganzen Tag in einem Wulst alter und neuer, praktischer und unpraktischer (die ich jedoch nicht unterscheiden kann), kluger und unsinniger Verordnungen herumzutappen und zuletzt froh sein, wenn ich unter einer Unzahl von Bestimmungen über Ratswahlen, Militärorganisationen, Hunde- und Katzen-, über Laubkäfer-, Polizei-, Landschreiberordnungen, Notariatstexte etc. einige civilistische Bröcklein als Beute herausschnappe, die nicht selten unbestimmt, zweideutig und voll Wiederspruch sind.»

Sammelpunkt bedeutender wirtschaftlicher Pioniere

Die Belastung machte ihm zu schaffen. Am 14. Mai 1861 schrieb er einem Freund: «Meine Gesundheit ist sehr schwankend geworden und meine körperlichen Kräfte sind bedenklich gesunken.» Schweren Herzens begab er sich zur Kur nach Bad Ragaz. Zu seinem ursprünglichen Leiden, einer Nierenkrankheit, trat eine schwere Lungenentzündung. Gegen acht Uhr vormittags am 25. Juli 1861 stand sein Herz still, und Br∴ Jonas ging uns in den ewigen Osten voraus.

Der Freimaurer

Wann Br∴ Jonas auf die Freimaurer aufmerksam geworden ist, kann nicht gesichert nachgewiesen werden. Immerhin wissen wir aus der Geschichte und den überlieferten Unterlagen der Loge «Akazia» i∴ O∴ Winterthur, dass diese Loge Sammelpunkt bedeutender wirtschaftlicher Pioniere des beginnenden Industriezeitalters war.

Im Laufe des Jahres 1829, im Alter von knapp 25 Jahren, verfasste Br∴ Jonas sein Aufnahmegesuch in die Loge «Akazia». Er schrieb in seiner Bewerbung: «Wenn intellektuelle und moralische Vervollkommnung Aufgabe des menschlichen Lebens ist, so kann des Menschen wahres Bedürfnis kein anderes seyn, als vollkommene Erkenntnis seiner selbst. Nützlich ist daher jeder in seinem Wirkungskreis, wenn er alles thut, was zur Beförderung dieses Zweckes dient, wenn er ungescheut da, wo er Irrtum findet, ihn aufdeckt, Licht und Wahrheit zu verbreiten sucht, und da wo es Andern an Mitteln zur Verfolgung ihres Lebenszwecks fehlt, sie, soviel als möglich zu unterstützen trachtet.» Am 16. Januar 1830 wurde Br∴ Jonas durch den damals amtierenden Stuhlmeister, Br∴ Johann Conrad Toggenburg, in die Bruderkette aufgenommen.

Turbulenzen im maurerischen Werdegang

Nach vier Jahren als Lehrling kam es beinahe zum Eklat mit seiner Loge «Akazia«, da sich diese sehr viel Zeit mit der Gesellenbeförderung liess. Trotz eines positiven Entscheids zur Beförderung und einer ihm wohlgesinnten Ballotage hatte die rituelle Beförderung auch nach weiteren zwei Jahren nicht stattgefunden. Br∴ Jonas Furrer war derart ausser sich, dass er bei der Zürcher Loge »Modestia cum Libertate» sein Affiliationsgesuch einreichte. Nur dem Verhandlungsgeschick des damaligen Geheimschreibers der «Akazia» ist es zu verdanken, dass Br∴Jonas sein Gesuch am 22. Dezember 1836 wieder zurückzog. Offensichtlich zeigte sein Vorgehen Wirkung. Bereits am 7. Januar 1837 fand die längst fällige Beförderung statt. Bereits drei Monate später ballotierten die Brüder über seine Erhebung in den Meistergrad.

Die rituelle Zeremonie wurde auf den 20. Mai 1837 bemerkenswerterweise im Tempel der «Modestia cum Libertate » in Zürich angesetzt. Zum grossen Erstaunen der versammelten Brüder erschien Br∴ Jonas nicht. Wie aus einem Schreiben vom 3. Juli 1837 hervorgeht, beharrte der Geselle darauf, im Tempel seiner Mutterloge «Akazia» in Winterthur zum Meister erhoben zu werden, was am 2. September 1837 auch geschah. Wie in der Politik übernahm Br∴ Jonas auch in der Freimaurerei grosse Verantwortung. 1844 war er Mitbegründer der Schweizerischen Grossloge Alpina (SGLA) und deren erster Grossredner.

Parallelen zwischen maurerischen und profanen Werten

Sein Schaffen als massgeblicher Mitgestalter der Schweizerischen Bundesverfassung hat bis heute Bestand. Vergleicht man dieses Werk mit den allgemeinen maurerischen Grundsätzen der SGLA, so sind die Parallelen nicht zufällig. Wie sinngemäss in der Präambel der Bundesverfassung ist auch bei der SGLA u. a. die Rede vom Allmächtigen Baumeister aller Welten, von den Menschenrechten, der Gewissens-, Glaubens- und Geistesfreiheit, dem Status freier Männer.

Br∴ Johann Rudolf Heinrich Benz schilderte seinen berühmt gewordenen Br∴ anlässlich der Trauerloge vom 10. November 1861 wie folgt: «Die Bescheidenheit und Schlichtheit dieses Republikaners sticht so sympathisch ab von manchem, den die Geschichte als Helden verewigt hat. Ward Bruder Jonas Furrer gross weil er ein Freimaurer war? Nein, das zu behaupten wäre für uns anmassend; aber dass ihn die Freimaurerei mitgeformt hat, kann nicht geleugnet werden, sagte er doch in seiner Rede am 21. Januar 1843: ‚An mir habe ich erfahren, dass Freimaurerei kein eitler Wahn ist.‘» Paul Burtscher, Loge «Modestia in Libertate » i∴ O∴ Zürich

Seit 1998 wird alle zwei Jahre der Jonas- Furrer-Preis «für stilles Schaffen und Menschlichkeit in der Schweiz und im Ausland» vergeben. Der gleichnamige Verein ist von den acht Zürcher Logen und jener in Schaffhausen gegründet worden. www.jonasfurrer.ch