Ich bringe euch das Licht vom Osten

Gewiss: Mit dem Stuhlmeister steht und fällt vieles in einer Loge. Doch zwischen ihm und den Beamten bzw. den Brüdern besteht eine enge Beziehung. Diese zeigt sich gerade in den Tempelarbeiten. Es ist die Aufgabe des Stuhlmeisters, Voraussetzungen für das esoterische Erlebnis zu schaffen. Dass es zu diesem kommt, ist aber Sache des einzelnen Bruders.

Das Amt des Stuhlmeisters steht in einer Jahrhunderte alten Tradition. Diese reicht im operativen Dombau zurück bis Erwin von Steinbach (um 1244–1318) in Strassburg, Niklaus von Büren (um 1380–1445) in Köln und Anton Pilgram (um 1460–1515) in Wien. Später, z. B. in Anderson’s «Alten Pflichten» von 1723, werden im Rahmen der spekulativen Freimaurerei Rechte und Pflichten des Stuhlmeisters ausführlich festgehalten.

Primus inter pares

In den Versammlungen der mittelalterlichen Bauhütten wählten die Männer ihren Meister. Dieser hatte in der Bauhütte das Privileg, zu sitzen. Er war der Meister vom Stuhl, im englischen Ausdruck der chairman. Heute heisst er in den englischsprachigen Logen zwar Worshipful Master. Doch der Sitz ist geblieben. Er ist zwar leicht erhöht; das dient aber nur der Sicht- und Hörbarkeit und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen dem Stuhlmeister und den Brüdern eine enge Beziehung besteht. Anderson hat dafür Regeln formuliert. So schreibt er, dass das Verdienst und nicht das Alter für die Wahl ausschlaggebend ist. Anforderungen an den Amtsinhaber betreffend Herkunft und Verhalten stehen solchen an die Brüder in den Kolonnen gegenüber. Hier geht es um «Ergebenheit, Achtung, Liebe und Bereitwilligkeit» und darum, dass sie «ohne Murren und Meutern ihren Lohn willig empfangen und den Meister nicht im Stich lassen». In der englischen «Meisterverpflichtung» wird in 15 Punkten aufgezählt, welche Kriterien der einzusetzende Stuhlmeister zu erfüllen hat, und er muss in diese einwilligen. Gleiches gilt für andere Installationsriten.

Der Dialog trägt wesentlich zur Dynamik der Tempelarbeit bei.

Der Stuhlmeister ist bei Zwistigkeiten unter Brüdern die nächsthöhere Instanz. Er ist verantwortlich für die Verbindung zur Grossloge und den Ruf der Bauhütte nach aussen. Zudem sorgt er, zusammen mit dem Redner, für die geistige, spirituelle und brüderliche Weiterentwicklung innerhalb der Loge. Und schliesslich ist er in rechtlicher Hinsicht der Präsident eines Vereins. Doch über seine Brüder in den Kolonnen darf er sich nicht erheben. Das wäre Hochmut. Deutlich wird dies, wenn es z. B. um Aufnahmen, Beförderungen und Ehrungen geht. Dann steigt der Stuhlmeister von seinem Sitz herunter und begibt sich auf die Höhe seiner Brüder. Bei seiner Einsetzung befindet sich der künftige Stuhlmeister ebenfalls vor dem Altar. Zurück auf seinem Stuhl, bildet zusammen mit den Brüdern in den Kolonnen und im Westen ein Viereck.

Dramaturg der Tempelarbeit

Aussenstehende könnten im Stuhlmeister eine Art Priester vermuten. Doch er erteilt keine Sakramente, er weiht nichts und niemanden. Er lenkt das Geschehen im Tempel, indem er für die korrekte und sinnstiftende Durchführung des Rituals sorgt. Er ist für die Dramaturgie zuständig und schafft damit die Voraussetzung, dass die Brüder in den Kolonnen das maurerische Geheimnis erfahren. Sekundiert wird er von seinen Beamten, insbesondere den beiden Vorstehern und dem Zeremonienmeister.

Als Dramaturg nimmt der Stuhlmeister unterschiedliche Handlungen vor. Unterstützt vom Zeremonienmeister, eröffnet und schliesst er die Loge. Er ruft zur Ordnung und appelliert an die Brüder, z. B. das Almosen zu entrichten. Er schickt Brüder auf die Reisen. Ein Element prägt die Tempelarbeit besonders. Es sind die Zwiesprachen mit den beiden Vorstehern. In einer Folge von Fragen und Antworten werden Lehren der Freimaurerei aufgezeigt. Es geht um Maurerpflichten, die Funktion der Vorsteher, die Definition der masonischen Arbeit. Hinzu kommen Gedanken zur Initiation, die Prüfungen, der Lehrlingsschlag. Der Dialog trägt wesentlich zur Dynamik der Tempelarbeit bei. In der Arbeit sind die Aufgaben verteilt. So mag der Redner rhetorisch und intellektuell gewiefter sein als der Stuhlmeister. Das tut dessen Würde aber keinen Abbruch. Vielmehr ist geschicktes Delegieren eine Führungsqualität.

Als Dramaturg nimmt der Stuhlmeister unterschiedliche Handlungen vor. Unterstützt vom Zeremonienmeister, eröffnet und schliesst er die Loge. Er ruft zur Ordnung und appelliert an die Brüder, z. B. das Almosen zu entrichten. Er schickt Brüder auf die Reisen. Ein Element prägt die Tempelarbeit besonders. Es sind die Zwiesprachen mit den beiden Vorstehern. In einer Folge von Fragen und Antworten werden Lehren der Freimaurerei aufgezeigt. Es geht um Maurerpflichten, die Funktion der Vorsteher, die Definition der masonischen Arbeit. Hinzu kommen Gedanken zur Initiation, die Prüfungen, der Lehrlingsschlag. Der Dialog trägt wesentlich zur Dynamik der Tempelarbeit bei. In der Arbeit sind die Aufgaben verteilt. So mag der Redner rhetorisch und intellektuell gewiefter sein als der Stuhlmeister. Das tut dessen Würde aber keinen Abbruch. Vielmehr ist geschicktes Delegieren eine Führungsqualität.

Wer sich mit der Symbolik rund um den Stuhlmeister befasst, begegnet einer Welt von Querverbindungen und Analogien. Zentral ist die Lichtsymbolik, die bereits in frühsten Kulturen bestanden hat. Der Stuhlmeister befindet sich, so das Ritual, «im Osten, wie das Licht, das war, das ist und das immer sein wird». Die drei grossen und die drei kleinen Lichter sind statische Symbole. Auf dem Altar liegen die drei grossen: Winkelmass, Zirkel und Bibel. Mit ihnen zu arbeiten steht einzig dem Stuhlmeister zu. Die drei kleinen Lichter auf den Säulen von Weisheit, Stärke und Schönheit entsprechen dem Stuhlmeister und den beiden Vorstehern. Es ist dabei die Schönheit, für die der Stuhlmeister steht. Diese Lichter werden mitunter auch mit der Trias von Stuhlmeister, Mond und Sonne in Verbindung gebracht.

Während sich Stuhlmeister und Brüder beinahe auf der selben Ebene befinden, ist die dritte Dimension einem anderen Meister vorbehalten.

Neben den statischen Symbolen begegnen in der Tempelarbeit auch dynamische Elemente. Der Sonne kommt grosse Bedeutung zu. Ihr Lauf von Hochmittag bis Hochmitternacht bezieht sich nicht nur auf die Dimension der Zeit. Vielmehr kommt jene des Raums hinzu. Der Sonnenlauf zeigt sich in den Koordinaten des Tempels. Der Westen steht für den Sonnenuntergang und somit den Abend; der Osten, in dem der Stuhlmeister sitzt, entspricht dem Sonnenaufgang, also dem Morgen. Der Stuhlmeister steht so für die neu aufgegangene oder neu geborene Sonne. Er sagt seinen Brüdern, dass er ihnen «das Licht von Osten» bringt. Mitunter wird dem Stuhlmeister wie angeführt die aufgehende Sonne zugeordnet, dem zweiten Vorsteher aber die Sonne im Zenith und dem ersten Vorsteher die untergehende Sonne.

Während sich Stuhlmeister und Brüder beinahe auf der selben Ebene befinden, ist die dritte Dimension einem anderen Meister vorbehalten. Diese spannt sich zwischen Zenith und Nadir des Tempels. Der Kulminationspunkt befindet sich auf der Achse im Mittelpunkt des Tempels, die sich auch als salomonische Wendeltreppe bzw. als Himmelsleiter verstehen lässt. An dieser Stelle ist der geistige Orient und mit diesem der A\ B\ A\ W\ zu verorten. Diese meisterliche Instanz gilt es im masonischen Werdegang auch in sich selbst zu finden. Der Stuhlmeister vermag den Bruder darauf hinzuführen. Den entscheidenden Schritt aber muss dieser selbst tun. T. M.