Im Einsatz für den Frieden

Das Engagement der Schweiz in friedenserhaltenden Missionen am Beispiel des Kosovo.

Seit 1999 engagiert sich die Schweiz mit Soldatinnen und Soldaten im Kosovo. Seit dem Jahr 2002 sind diese bewaffnet. Die Swisscoy zählt zu jenen verlässlichen Partnern, die sowohl von der KFOR (Kosovo Force) als auch von der einheimischen Bevölkerung sehr geschätzt werden.

D. K., Loge Catena Humanitatis, Zürich (Schweizer Freimaurer-Rundschau: März 2006)

Ziel dieser Mission ist es, das Zusammenleben der verschiedenen Ethnien in der Krisenregion wieder zu ermöglichen und damit einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Wo aber liegt der effektive Beitrag der Schweiz für den Frieden in dieser Krisenregion? Kann Frieden überhaupt erzwungen werden und wenn ja, mit welchen Mitteln?

Als das erste Schweizer Kontingent vor bald sieben Jahren im Kosovo eintraf, waren die Zerstörungen und die Wunden, welche die kriegerischen Auseinandersetzungen hinterlassen hatten, allgegenwärtig. Die Kriegsparteien hatten sich nichts geschenkt. Die materiellen Schäden waren enorm, die Infrastruktur zusammengebrochen. Noch grösser wog das menschliche Leid.

Wörter wie «ethnische Säuberung», die man bis dato nicht kannte, geisterten als Schlagzeilen durch die internationale Presse und zeugten von kaum fassbaren Gräueltaten der Kriegsparteien. Die Spuren des Konfliktes sind heute, wenn auch nicht mehr so offensichtlich, immer noch zu sehen. Trotzdem hat man den Eindruck, als habe das Kosovo einen enormen Schritt nach vorne gemacht. Praktisch keine Stadt, kein Dorf, in welchem nicht gebaut wird und neue Wohn- und Geschäftshäuser eröffnet werden. Dieses stetige Wachstum darf aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass das Kosovo nach wie vor eine Krisenregion ist. Die Spannungen zwischen den serbischen und den anderen ethnischen Bevölkerungsminderheiten sowie den Kosovo-Albanern sind sehr gross und führen zuweilen zu Gewaltakten gegenüber diesen Minderheiten. Nach wie vor ist es für serbischstämmige Kosovaren nicht möglich, ohne Begleitschutz der KFOR und der lokalen Polizeikräfte Kirchen, Siedlungen oder sonstige serbische Einrichtungen zu besuchen.

Auch wenn so Zusammenstösse grösstenteils verhindert werden können, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu verbalen und tätlichen Übergriffen. Dieser vorherrschende Zustand wird in der Lagebeurteilung treffend als «relativ ruhig, aber nicht stabil» bezeichnet. In der Tat deutet oberflächlich wenig auf den Konflikt hin. Unterschwellig aber, und daher besonders gefährlich, brodelt es.

Die Unruhen vom März 2004 haben verdeutlicht, wie brisant die Lage ist und wie wenig es braucht, dass die Situation eskaliert. Dem Konfliktpotenzial, welches in den innerethnischen Spannungen liegt, versucht man mit Integrations- und Wiederansiedlungsprogrammen seitens der Vereinten Nationen und der EU zu begegnen. Diese fruchten aber nur bedingt. Zwar gibt es bereits gemischte Schulen, wo Kinder aller Ethnien unterrichtet werden, doch weigern sich serbischstämmige Eltern aus Furcht vor Repressalien, ihre Kinder in diese Schulen zu schicken. Auch die Rücksiedlungen von serbischen Kosovaren oder anderen Minderheiten gehen nur schleppend bzw. gar nicht voran. Entweder herrscht nach wie vor eine extreme Abneigung seitens der Kosovo-Albaner gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen oder es hapert am Wiederaufbau der zerstörten Häuser bzw. der Einrichtungen.

Die Problematik der ethnischen Minderheiten ist nur ein Baustein im Puzzle des Kosovokonflikts. Er steht aber stellvertretend für das zentrale Problem der Region auf dem Weg zur Stabilität und damit zu einem dauerhaften Frieden und fruchtbaren Miteinander.

Nicht nur innerethnische Konflikte setzten der Region zu

Das Kosovo verfügt über praktisch keine funktionierende Wirtschaft. Investoren sucht man vergeblich. Die Versorgung der Bevölkerung mit Elektrizität beispielsweise ist mangelhaft, die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 70 Prozent. Zwar verfügt die Region über reiche Bodenschätze und fruchtbares Ackerland, nur lassen sich diese Ressourcen aufgrund fehlender oder mangelhafter Mittel sowie der rechtlichen Ungewissweit der Besitzverhältnisse wegen nicht bewirtschaften.

Die Polizei- und Justizorgane, welche unter der Verwaltung der UNMIK (United Nations Interim Administrative Mission in Kosovo) stehen, sind träge, schlecht ausgerüstet und schlecht bezahlt und damit in der Verbrechensbekämpfung und der Verfolgung von Straftätern durch die Gerichte wenig erfolgreich. Dies fördert wiederum die Schattenwirtschaft und die Kriminalität. Das Kosovo ist derzeit, nebst anderen Staaten auf dem Balkan, ein Eldorado für Waffenschieber, Menschenhändler und Drogenschmuggler. Die Organisierte Kriminalität hat ihren festen Sitz in der Gesellschaft und wird ihn auch nicht so schnell freigeben.

Obwohl die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrats vom 10. Juni 1999 den Aufbau eines funktionierenden Polizei- und Justizapparates, der Ziviladministration, den Aufbau von Institutionen und die wirtschaftliche Entwicklung als Grundpfeiler auf dem Weg zu Frieden, Demokratie, Stabilität und Selbstbestimmung definiert hat, scheint dieser politische Prozess in einer Art Lethargie verfallen zu sein. Der Missmut über diesen Zustand wird von der Bevölkerung öffentlich und teils mit scharfen Worten an den Pranger gestellt. Es sind diese schlechten Voraussetzungen, die für mein Dafürhalten momentan keine Grundlage für Statusverhandlungen schaffen. Erst wenn diese Probleme gelöst sind, kann mit dem wirtschaftlichen und sozialen Aufbau und letztlich mit den Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovos begonnen werden.

Frieden durch Waffengewalt erzwingen?

Was absurd klingt, ist im Kosovo Realität. Die militärische, bewaffnete Präsenz der KFOR sorgt einerseits für den Schutz der Minderheiten, andererseits ist sie wesentlicher Faktor, dass die Lage ruhig bleibt. Sie ist also ein Mittel auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden. Dies bestätigen auch zahlreiche Gespräche mit der einheimischen Bevölkerung, die ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen deutlich macht, dass sich die kriegerischen Auseinandersetzungen, im Falle eines Abzuges der KFOR aus der Krisenregion, fortsetzen bzw. neu entfachen würden. Nur schon deshalb ist die militärische Präsenz von grosser Bedeutung. Die Show of Force und die Freedom of Movement, d.h. die Zurschaustellung der KFOR eigenen Mittel und Kräfte sowie die von der KFOR durchgesetzte Bewegungsfreiheit der ethnischen Minderheiten garantiert Bewohnern von serbischen Enklaven beispielsweise, einem vergleichbar normalen Alltag nachgehen zu können.

Solche Aufträge, die zu einer Normalisierung des Alltags von Minderheiten führen sollen, werden auch von den Schweizer Einheiten ausgeführt. Dies ist aber nur ein Teil der Aufgaben. Durch tägliche Patrouillen und Kontrollen wird auch dem illegalen Handel und der Kriminalität entgegen gewirkt. Die Grundlage für den Einsatz bietet der sicherheitspolitische Grundsatz: Sicherheit durch Kooperation. Es liegt im Interesse der Schweiz, Konflikten dort Einhalt zu gebieten, wo diese entstehen. Dies gilt besonders für das Kosovo. Zudem haben die Konfliktparteien ausdrücklich dem Einsatz der KFOR zugestimmt, andererseits liegt ein UNO-Mandat zur Friedenssicherung vor.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Peace Enforcement, also der Friedenserzwingung mit Waffengewalt sowie dem Peace Support, der Friedensförderung, d.h. der Förderung bzw. der Aufrechterhaltung eines teilweise fragilen Friedens in einer Krisenregion. Der Einsatz im Kosovo beinhaltet nur die Friedensförderung und wird von der KFOR gezielt dort betrieben, wo das Verständnis aller Ethnien für ein gedeihliches Miteinander fehlt. Beispielsweise mit multiethnischen Sportveranstaltungen, gezielten Presseaktionen in den Lokalmedien oder Gesprächen am runden Tisch, wo Vertreter aller Minderheiten, auch die Kosovo-Albaner unter der Leitung der KFOR zu Wort kommen.

Auch wenn der Aktionsradius solcher Veranstaltungen klein ist, sind die positiven Erfahrungen und die Symbolwirkung für alle Beteiligten enorm und für die Krisenregion sehr wichtig. Das Mandat der UNO zur Friedenssicherung erlaubt andererseits auch den Einsatz von Waffengewalt, wo das Leben von den zu schützenden Minderheiten im Kosovo nicht mehr garantiert werden kann. Aber auch hier gilt es, eine genau Lagebeurteilung vorzunehmen und den Einsatz von letalen Waffen als letzte von vielen Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Die bewaffnete militärische Präsenz hat aber durchaus noch einen anderen Aspekt. Sie schafft überhaupt die Basis dafür, dass andere Institutionen und Hilfswerke in der Krisenregion aktiv werden konnten und können.

Das Engagement der Schweiz im Kosovo

Die Schweizer KFOR-Einheiten, besser bekannt unter dem Namen Swisscoy, erfüllen logistische Aufgaben zugunsten der Truppen Österreichs und Deutschlands. Diese beinhalten unter anderem die Aufbereitung von Trink- und Gebrauchswasser, die Versorgung mit Betriebsstoffen, Strassen- und Lufttransporte. Im Auftrag der KFOR plant die Swisscoy auch Bauprojekte und setzt diese um. Die Swisscoy beteiligt sich aber auch an Sicherungs- und Bewachungsaufgaben zum Schutz von ethnischen Minderheiten, führt Patrouillen durch und ist nebst den österreichischen und deutschen KFOR-Einheiten für die Sicherung und Bewachung des Camps zuständig. Für diese Aufgaben stehen der Kompanie zwei Infanteriezüge mit Piranha-Schützenpanzern zur Verfügung. Die freiwillig rekrutierten Armeeangehörigen erfüllen vor Ort einen sehr diffizilen Auftrag. Einerseits tragen sie grosse Verantwortung für die österreichischen und deutschen Kameraden im Rahmen der logistischen Aufträge, andererseits müssen sie das UNO-Mandat zum Schutz der ethnischen Minderheiten durchsetzen. Es ist wohl gerade unser Verständnis von Neutralität, welches insbesondere bei der Durchsetzung des UNO-Mandats wesentlich dazu beiträgt, dass die Schweizer KFOR-Angehörigen diesen Auftrag effizient und unparteiisch erfüllen.

Ein Zusammenspiel aller Kräfte

Das Beispiel Kosovo verdeutlicht, wie wichtig die militärische Präsenz der internationalen Gemeinschaft sein kann, um eine Krisenregion auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden zu begleiten. Nur kann sie über Dauer nicht alleiniges Mittel sein, verfeindete Parteien zur Raison zu bringen. Peace Support Missionen bedürfen der Konsolidierung aller Kräfte. Nebst den militärischen, braucht es auch die zivilen. Die Koordination der Kräfte stellt aber hohe Ansprüche an die Planung und Durchführung und nicht zuletzt auch an die finanziellen und personellen Ressourcen.

Persönlich bin ich aber von der Notwendigkeit und vor allem vom Nutzen solcher Operationen für alle Beteiligten überzeugt. Zwar sind es kleine Schritte, die zum Erfolg und letztlich zum Frieden führen. Jeder dieser Schritte aber erfüllt mich mit grosser Genugtuung.