Freimaurerei – eine moderne Idee

Sollen die Allgemeinen Maurerischen Grundsätze überarbeitet werden?

Anlässlich der Tempelfeier der Schweizerischen Grossloge Alpina am Sonntag, den 6. Juni, in Luzern, hielt Alfred Messerli, zugeordneter Grossredner, eine Ansprache, in der er sich für eine Öffnung der Freimaurerei aussprach. Er bezeichnete die Freimaurerei als eine moderne Idee, die auch heute gar nichts von ihrer Aktualität eingebüsst hat.

(Schweizer Freimaurer-Rundschau: August/September 2004)

Im Zusammenhang mit dem Tag der Offenen Tür in Zürich und der Ausstellung in Luzern muss man sich manchmal fragen, ob sich die Freimaurer nicht unter ihrem Wert verkaufen. Auch heute noch bestehen ganz irrige Auffassungen in der Bevölkerung, die sehr schwer auszurotten sind. Wir Freimaurer haben uns allzu lange hinter dem so genannten Geheimnis versteckt. Und das hat natürlich der Legendenbildung Vorschub geleistet. Darunter haben wir heute noch zu leiden. Dabei sind die Leute erstaunt, wenn sie den Tempel sehen oder die Ausstellung, was wir Freimaurer wirklich sind und was wir – fern jeder Legendenbildung – wirklich machen. Die Freimaurerei ist eine Schule der Menschlichkeit. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt und setzt sich seit ihrer Gründung für Brüderlichkeit, Menschenrechte und die Würde aller Menschen ein. Gerechtigkeit und Geistesfreiheit, das heisst Toleranz gegenüber Andersdenkenden, auch in Glaubensfragen, sind Ideale der Freimaurerei.

Für das Ziel der Freimaurerei entscheidend ist der Weg, das stete Bemühen. Jeder Mensch kann durch dieses Streben symbolisch zu einem Stein im Tempelbau der Humanität werden. Dazu muss er an sich selbst arbeiten, das heisst den Rauen Stein ein Leben lang behauen, um sich ins Mauerwerk dieses geistigen Tempels einfügen zu können.

Wie erstrebt der Freimaurer diese Ideale?

Jeder Freimaurer verpflichtet sich, seinen Teil dazu beizutragen, dass sein Leben gegenüber seinen Mitmenschen einen positiven Sinn gewinnt. Die Impulse erhält er in den Tempelfeiern, Konferenzarbeiten und Diskussionen, bei denen ganz besondere Bedeutung auf Brüderlichkeit, Toleranz und Offenheit gelegt wird. Das gesellige Zusammensein nach den Arbeiten wird bei allem Ernst der Anliegen gepflegt und fördert Freundschaft und Brüderlichkeit.

Warum bekennt sich der Einzelne zur Freimaurerei?

Der Einzelne bekennt sich dazu, weil sie den Menschen mündig und frei will, mitverantwortlich für Gesellschaft, Staat und Völkergemeinschaft. Aber auch weil Toleranz und Glaubensfreiheit Voraussetzungen für Demokratie und religiösen Frieden sind. Er bekennt sich zum Freimaurerbund, weil Menschenwürde und Menschenrechte hochgehalten werden müssen und weil der Freimaurer jede Ordnung ablehnt, die Andersdenkende unterdrückt. Und schliesslich bekennt er sich dazu, weil die Freimaurerei vom Einzelnen den Weg zu den Idealen der Humanität und die kritische Arbeit an sich selber verlangt.

Die Freimaurerei stellt ihr Weltbild in Ritualen dar. Sie schafft Erlebnisse, welche die Lebenspflichten des Menschen unter Menschen vergegenwärtigen und ihm helfen, die ethischen Gebote zu befolgen: So bleibt die Freimaurerei eine moderne Idee, solange es der Einzelne will und es mit seinem Tun bestätigt.

Und in diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu prüfen, ob nicht die Allgemeinen Maurerischen Grundsätze der Schweizerischen Grossloge Alpina, die in ihren Grundzügen auf das Jahr 1844 zurückgehen, nicht in unsere heutige Sprache übertragen, vereinfacht und ergänzt werden müssen. Natürlich ist mir bewusst, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist. Das letzte Mal, als man vor etwa einem Dutzend Jahren an diese Arbeit heranging, gingen insgesamt gegen 300 Änderungsanträge ein. Diese Anträge waren zum Teil gegensätzlich. Damals beschloss die Kommission im Einvernehmen mit dem damaligen Direktorium auf die Revision nicht einzutreten und legte das Geschäft ad acta. Das war natürlich auch keine Lösung. Ich bin davon überzeugt, dass das heutige Direktorium dieses heisse Eisen anpacken sollte, auch wenn es schwierig sein wird, die gegensätzlichen Meinungen unter einen Hut zu bringen. Aber man muss doch prüfen, ob nicht der Schutz der Umwelt, die Achtung der Menschenrechte, die Ablehnung jeglicher Gewalt und Folter nicht aktuelle Postulate sind, die in diesen Allgemeinen Maurerischen Grundsätzen ihren Platz finden sollten.

Wir müssen das Gute und Bewährte der Alten Pflichten pflegen und bewahren, dürfen uns aber neuen Entwicklungen und neuen Herausforderungen nicht verschliessen. Nur so können wir verhindern, dass die Freimaurerei zu einem Auslaufmodell wird, das sich zufolge Überalterung unserer Brüder von selbst erledigt. Wir wollen auch in diesem noch jungen Jahrhundert unsere Ideale und unsere Ziele hochhalten.