500 Besucher wurden erwartet – und 1500 kamen

Tag der Offenen Türe im Logenhaus auf dem Lindenhof in Zürich

Die Organisatoren erwarteten 500 Besucher zum Tag der Offenen Türe im Logenhaus auf dem Lindenhof in Zürich. Am Samstag, 24. April kamen aber 1500 und viele mussten abgewiesen werden, obwohl sieben zusätzliche Führungen zu den geplanten acht durchgeführt wurden. Und am Telefon wurden am Freitag und Samstag rund 500 Interessierte auf später vertröstet, weil alle Führungen ausgebucht waren.

A. M. (Schweizer Freimaurer-Rundschau: Juni/Juli 2004)

Der Erfolg war überwältigend. Die Organisatoren der acht Zürcher Logen hatten den Tag gut vorbereitet und geplant. Aber es kam alles ganz anders. Es erschienen dreimal mehr Besucher, als sich angemeldet hatten. Die Organisatoren wurden regelrecht überrannt. Das Haus konnte die interessierten Besucher gar nicht fassen, und es bildeten sich lange Warteschlangen. Statt der vorgesehenen maximal 50 Personen zählten die meisten Gruppen hundert und mehr Personen. Trotzdem wurden alle Gruppen durch das Treppenhaus, in den grossen Tempel oder in den grossen Konferenzsaal geführt und dort durch fachlich ausgewiesene Brüder über die Freimaurerei informiert. Auch die alten römischen Ruinen, zu denen man von aussen her über eine Treppe und durch einen Schacht gelangen konnte, erfreuten sich eines grossen Interesses.

Das grösste Interesse beanspruchte der grosse Tempel. Hier führten Jacques Laager und Adolf Baumann die Gruppen. Sie erläuterten die Rituale der Freimaurerei anhand der zahlreichen Symbole und der Einrichtung des Tempels. Hier wurden auch die meisten Fragen gestellt. Die wichtigste Botschaft, die den Besuchern vermittelt wurde, war die, dass die Freimaurerei weder eine Religion, noch eine Sekte sei und jedes Glaubensbekenntnis achte und auch akzeptiere. Gefragt wurde nach der Rolle der Bibel im Tempel und überhaupt nach der Bedeutung des Tempels für die Freimaurerei. Auch wurde natürlich von den zahlreichen besuchenden Frauen immer wieder die Frage gestellt, weshalb wir keine Frauen in die Loge aufnehmen. Einzelne Besucherinnen waren besonders hartnäckig und stellten immer wieder zusätzliche Fragen zu diesem Thema.

Grosse Medienpräsenz

Erstaunlich ist das grosse Echo, das der Tag der Offenen Türe in den Medien ausgelöst hat. In den wichtigen Presseerzeugnissen der Deutschschweiz, aber auch in der Westschweizer Presse erschienen ausführliche und ernsthafte Artikel und kein einziger war in irgendeiner Hinsicht negativ. Radio DRS und das Regionaljournal orientierten ihre Hörer ausführlich und objektiv über die Freimaurerei. Auch die veröffentlichten Fotos zeigten ein positives Bild von uns.

Weisse Loge mit prominenten Besuchern

Für den Samstagabend war eine Weisse Loge angesagt. Sie stand unter dem Titel «150 Jahre Freimaurerei auf dem Lindenhof». Unter den zahlreichen anwesenden prominenten Gästen seien nur einige wenige genannt: Der Präsident des Kantonsrates Ernst Stocker, der Präsident des Gemeinderates Bruno Sidler, aber auch Stadtrat Martin Vollenwyder, ein Vertreter des Regierungsrates des Kantons Glarus, Harry Berg, der Präsident der israelitischen Kultusgemeinschaft, die Zürcher Zünfte und die Offiziersgesellschaft waren prominent vertreten. Rebecca Ziegler repräsentierte die Frauenloge Isis in Zürich.

Der Stadtpräsident von Zürich, Elmar Ledergerber, betonte, dass der Lindenhof ein geschichtsträchtiger Boden sei. Die Römer hätten hier bereits ein Kastell errichtet, im Mittelalter war eine fränkische Pfalz. Unter den Linden, die seit 1422 nachgewiesen sind, tagte auch das Blutgericht. Und auf diesem Boden gibt es nur ein einziges Haus, das Haus der Freimaurerloge Modestia cum Libertate, das nun seit 150 Jahren hier steht. Ledergerber kam dann auf die Freimaurerei zu sprechen: Heute ist wieder Humanität gefragt. Es geht um mehr Menschlichkeit, um den Respekt vor dem menschlichen Leben. Leider ist heute die Toleranz und die Achtung vor dem andern, gleich welcher Rasse, Religion und Weltanschauung, Mangelware. Umso erfreulicher ist es, dass diese Grundsätze von den Freimaurern hoch gehalten und praktiziert werden. Sein Amtskollege, der Stadtpräsident von Lugano, Giorgio Giudicci, sprach nach ihm, aber als zugeordneter Grossmeister. Er überbrachte die Grüsse der Schweizerischen Grossloge Alpina und gratulierte den Zürcher Logen zu ihrem Jubiläum und zum Haus am schönsten Platz der Stadt.

Im Zentrum der Tempelarbeit, die vom Meister vom Stuhl, Alberto Meyer, souverän geleitet wurde, stand die Wiedergabe der Ringparabel aus «Nathan der Weise» von Lessing. Sie passte in diese besinnliche Feier, an die sich eine Tafelloge anschloss. Sowohl die Feier im Tempel, wie auch die Tafelloge wurden mit Musikbeiträgen des Trios Boris Mersson umrahmt.

Am Sonntagmorgen für die Brüder

Für die Brüder der acht Freimaurerlogen und für alle andern Logen wurde am Sonntag eine Tempelarbeit mit einer Aufnahme durchgeführt. Wie Alberto Meyer eingangs erklärte, stand die Arbeit ebenfalls im Zeichen des Jubiläums «150 Jahre Freimaurerei auf dem Lindenhof». Er skizzierte die Geschichte des Lindenhofs und der Zürcher Freimaurerloge Modestia cum Libertate. Konrad Zerobin, der Redner der Loge, betonte in seiner Ansprache, dass die Rückschau in die Vergangenheit allen wichtig sei, auch auf die antike Gedankenwelt, als Basis unserer Kultur. «So wichtig das sittliche Erfühlen ist, so wichtig ist für die Freimaurerei der Blick in die Zukunft. Dem müssen Taten folgen, will die Freimaurerei nicht eine nur in der Tradition eingebundene Vereinigung werden. Reformieren heisse neu gestalten, sich dem Fortgang des Lebens in allen Facetten zu stellen und diese nach Möglichkeit zu humanisieren». Wörtlich führte er aus: «Wenn ich nun in Anwesenheit aller Zürcher Logen und des zugeordneten Grossmeisters davor warne, nur zu bewahren, was uns überliefert worden ist, möchte ich nicht wie Kassandra drohendes Unheil beschwören, sondern vielmehr wie Cato stereotyp wiederholend ein ceterum censeo artikulieren: «Ergreifen wir die Initiative und wagen wir den Schritt in die Öffentlichkeit, indem wir unsere freimaurerische Sicht auch darstellen, sei es im Bereich der Gesellschaftspolitik, der Migration, der Umwelt, der biomedizinischen Techniken oder der Globalisierung, um nur einige Beispiele zu nennen. Denn wenn wir unsere Reihen verdichten wollen, müssen wir, um zukunftsfähig zu bleiben – oder richtiger – um zukunftsfähiger zu werden, Stellung beziehen».

An die rituelle Arbeit im Tempel schloss sich eine Tafelloge an, die von Hans-Peter Uster, dem Meister vom Stuhl der Loge In Labore Virtus geleitet wurde. Neben den drei Gesundheiten, die rituell vorgetragen worden sind, wurden einige Grussadressen und Reden gehalten, um dem Tag einen würdigen Abschluss zu geben.